In der Reihe Forschungseinblicke möchten wir regelmäßig aktuelle Publikationen und Forschungsprojekte der deutschsprachigen Informationswissenschaft vorstellen. Weitere Beiträge der Reihe finden Sie auf der entsprechenden Kategorieseite. 

Zusammenfassung des Artikels:

Griesbaum, J., Dreisiebner, S., Michel, A., Tappenbeck, I., & Wittich, A. (2026): Information Literacy and Artificial Intelligence: A library and information science perspective on effects, research questions, challenges and opportunities, in: Proceedings of the 9th European Conference on Information Literacy (ECIL), 22.-25.9.2025, Bamberg, Germany. (in Druck, erscheint Anfang 2026)

Die diesem Beitrag zugrundeliegenden Positionspapiere wurden darüber hinaus bereits als Sammelband im Universitätsverlag Hildesheim veröffentlicht: Dreisiebner, S., Griesbaum, J., Mandl, T., Michel, A., Tappenbeck, I. & Wittich, A. (Hrsg.) (2024): Informationskompetenz und Künstliche Intelligenz – Konzepte, Herausforderungen und Chancen. Ein Beitrag der Fachgruppe Informationskompetenz der KIBA, Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim. https://dx.doi.org/10.18442/318

von Stefan Dreisiebner

Informationskompetenz und Künstliche Intelligenz – Konzepte, Herausforderungen und Chancen

In diesem Beitrag der Fachgruppe Informationskompetenz der Konferenz der informations- und bibliothekswissenschaftlichen Ausbildungs- und Studiengänge (KIBA) verfasst von Joachim Griesbaum (Universität Hildesheim), Stefan Dreisiebner (Fachhochschule Kärnten), Antje Michel (Fachhochschule Potsdam), Inka Tappenbeck (Technische Hochschule Köln) und Anke Wittich (Hochschule Hannover) wurden drei zentrale Fragestellungen diskutiert:

1. Wie beeinflusst KI bestehende Konzepte der Informationskompetenz?
2. Welche neuen Forschungsfragen ergeben sich durch den Einsatz von KI?
3. Welche Herausforderungen und Chancen entstehen für die Förderung von Informationskompetenz durch KI?

Antworten zu diesen Fragen wurden mittels eines Expertenpanel erhoben. Rund 50 Expert:innen aus der deutschsprachigen informationswissenschaftlichen und bibliothekarischen Community wurden eingeladen, zu diesen Fragestellungen ein Positionspapier zu verfassen. 13 Positionspapieren wurden eingereicht und anschließend mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Diese Ergebnisse bildeten die Grundlage für eine vertiefende Diskussion mit den Verfasser:innen der Positionspapiere in einem Präsenz-Workshop am 20. September 2024 an der Universität Hildesheim. Die Diskussionen wurden protokolliert und in die Auswertung miteinbezogen. Die Ergebnisse zeigen:

Einfluss von KI auf bestehende Konzepte der Informationskompetenz

• Die Komplexität der Informationsumgebung wächst durch generative KI erheblich. Suchprozesse, Informationsmärkte und Nutzungsverhalten verändern sich, während Transparenz und Nachvollziehbarkeit abnehmen. Gleichzeitig entstehen neue Möglichkeiten für komplexe Recherchen und für die Förderung von Open Science.
• Die Rolle von KI ist ambivalent. Einerseits kann KI Nutzer:innen bei der Informationsbewertung unterstützen, andererseits setzt eine verantwortungsvolle Nutzung ein grundlegendes Verständnis technischer Funktionsweisen voraus. Bestehende Kompetenzrahmen wie jene der ACRL oder der UNESCO bleiben tragfähig, sollten aber gezielt um KI-bezogene Beispiele ergänzt werden.
• Für die Vermittlung von Informationskompetenz bedeutet dies, neben etablierten Kompetenzen wie etwa die Beurteilung von Informationsqualität, auch neue Themen zu adressieren wie Datenanalyse, KI-Ethik und den reflektierten Umgang mit KI-Systemen.
• Ebenso rücken ethische und gesellschaftliche Implikationen in den Fokus: Datenschutz, Diskriminierungsrisiken, Desinformation und die mögliche Entfremdung von humanistischen Bildungszielen stellen neue Herausforderungen dar.

Neue Forschungsfragen im Kontext von KI

Die Positionspapiere und Diskussionen identifizierten vier zentrale Forschungsfelder:

• Informationsmärkte und Informationsverhalten: Veränderungen im Such- und Rezeptionsverhalten, neue Akteurs- und Geschäftsmodelle sowie Fragen der Qualitätssicherung KI-generierter Inhalte.
• Regulierung und Governance: Bedarf an politischen Rahmenbedingungen, Kennzeichnungspflichten und Qualitätsstandards für KI-Systeme.
• Ethische Aspekte: Umgang mit Bias, Datenschutz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
• Integration in Lehre und Lernen: Kompetenzrahmen zu KI, die Nutzer:innen befähigen, KI-Technologien kompetent und kritisch zu verwenden. Bibliotheken können hierbei als zentrale Lern- und Vermittlungsorte wirken.

Herausforderungen und Chancen für die Förderung von Informationskompetenz durch KI

Als Chancen wurden insbesondere die Automatisierung von Routinen, personalisierte Lernprozesse und adaptive Unterstützungssysteme hervorgehoben. KI kann Lernende und Lehrende entlasten und zugleich neue Lernformen ermöglichen. Herausforderungen bestehen in der Intransparenz vieler Systeme, rechtlichen Unsicherheiten und der Notwendigkeit, Lehrinhalte kontinuierlich an technische Entwicklungen anzupassen. Informationskompetenz wird dabei als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und kontinuierliche Weiterbildung erfordert. Entscheidend bleibt die aktive Rolle der Nutzer:innen, die KI kritisch, reflektiert und verantwortungsvoll einsetzen sollten.

Fazit

Die Ergebnisse des Expertenpanels machen deutlich, dass KI Informationsmärkte, Bildungsprozesse und gesellschaftliche Strukturen grundlegend verändert. Informationskompetenz bleibt eine Schlüsselqualifikation für den selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit Information. Bestehende Rahmenwerke bieten hierfür eine solide Basis, müssen jedoch weiterentwickelt und stärker in Bildung, Forschung und Politik verankert werden.